rückSPIEGEL
Literatur in Ottobeuren | 2023 bis 2017
Lektürennotizen
Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Bücherfreundinnen, liebe Bücherfreunde, liebe Bücherliebhaber, liebe Bücherliebhaberinnen, liebe Büchernarren, liebe Büchernärrinnen, liebe Vielleser, liebe Vielleserinnen, liebe Leseratten, liebe Bibliophile, liebe Bibliomanen und Bibliomaninnen. Liebe Büchertrinker*innen. Liebe Leserschaft.
Seit 2017 trifft sich einmal im Monat der Ottobeurer Literaturkreis. In einer behaglichen Lesestube im Hirsch, in der St.-Ulrich-Stube. Zwischen zehn und fünfzehn Personen an einem Tisch. Das war vor Corona. In der Folge gab es ab März 2020 eine bittere Zäsur. Später waren wir Freileser. Im Sommer haben wir unter freiem Himmel gelesen. Im Würzgarten der Naturheilpraxis am Museum. Und auf Schloss Lautrach, im Schlossgarten.
Seit September 2022 trafen wir uns auf neuem, ungewohntem Terrain - online. Jeder in seinem Lesekämmerlein vor dem PC, Laptop oder Tablet/Smartphone. Auch nicht übel. Aber das war nur eine Übergangslösung sein. Nun treffen wir uns im 'Mach mit'. Jeden letzten Dienstag im Monat. Bahnhofstrasse 19. 1:00 bis 20:30 Uhr.
Hier sind alle Werke aufgeführt, über die wir bislang gesprochen haben. Darunter ist Auserlesenes. Manchmal lesen wir auch lausig geschriebene Romane, aber die sind dann sehr gut lausig geschrieben.
Übrigens. Jedes Jahr wird für die Lesereihe ein Leitmotto abgesteckt. Die ausgewählten Bücher folgen diesem nahezu gänzlich. Und die nachstehende Sammel-Lese vermehrt sich peu à peu.
Ihr Horst G. Flämig
Lesereihe 2023
Die Ottobeurer Lesereihe 2023 steht unter dem Motto:
"Kann man die USA noch lieben?"
"Warum haben wir ein so gespaltenes Verhältnis zu den USA?"
Zusätzlich Literatur Exkurse
Eben war es "Don't let me down', dann Blondies 'Heart of glass', jetzt ist es Iggy Pops 'The Passenger'.
Der grössere Teil der Welt
Jennifer Egan
Bennie Salazar, exzentrischer und extrovertierter Musikproduzent und Ex-Punkrocker hat scheinbar alles erreicht. Ebenso Sasha, seine Assistentin, von der niemand vermutet, dass sie eine zwanghafte Kleptomanin ist. Als Scotty, ehemaliger Gitarrist und Bennies erfolgloser Schatten, im Büro seines Freundes erscheint, taucht die Vergangenheit blitzartig wieder auf. In einem schwindelerregenden Kaleidoskop lässt Jennifer Egan eine Epoche lebendig werden: von den 70er Jahren in San Francisco über die 90er Jahre in New York bis hinein in eine ungewisse Zukunft.
Resümee folgt
Rassistische Gewalt ist fest eingewebt in die US-amerikanische Identität.
Zwischen mir und der Welt
Ta-Nehisi Coates
Ta-Nehisi Coates hat mit seinem Buch »Zwischen mir und der Welt« ein leidenschaftliches und zugleich schmerzhaftes Manifest gegen Rassismus geschrieben. In Form eines Briefes, der an seinen Sohn Samori gerichtet ist, verbindet Coates die amerikanische Geschichte mit seiner persönlichen. Er schreibt darüber, dass es nicht nur ein Problem individueller Verfehlung ist, wenn in den USA Schwarze von Polizisten ermordet werden. Denn rassistische Gewalt ist fest eingewoben in die amerikanische Identität – sie ist das, worauf das Land gebaut ist. Afroamerikaner besorgten als Sklaven seinen Reichtum und sterben heute als freie Bürger auf seinen Straßen. Coates fordert die Menschen auf, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, um ein Bewusstsein in Bezug auf rassistische Diskriminierung zu entwickeln und gegen sie zu kämpfen. Sein Buch ist bereits wenige Monate nach Erscheinen zum Klassiker geworden, der aus keiner zukünftigen Diskussion um Rassismus wegzudenken ist.
Resümee folgt
Über eine Dogge, die gerne Rilkes Briefe an einen jungen Dichter hört.
DER FREUND | SIGRID NUNEZ
Ein Roman über Trauer, Freundschaft, Liebe, Erinnerungen und Vergessen.
Als die Ich-Erzählerin, eine in New York City lebende Schriftstellerin, ihren besten Freund durch Suizid verliert, bekommt sie überraschend dessen Hund vermacht. Apollo ist eine riesige Dogge, die achtzig Kilo wiegt. Ihr Apartment ist eigentlich viel zu klein für ihn, außerdem sind Hunde in ihrem Mietshaus nicht erlaubt. Aber irgendwie kann sie nicht Nein sagen und nimmt Apollo bei sich auf, der wie sie in tiefer Trauer ist. Stück für Stück finden die beiden gemeinsam zurück ins Leben. Ein Roman über Liebe, Freundschaft und die Kraft des Erzählens - und die tröstliche Verbindung zwischen Mensch und Hund.
Resümee folgt
Eine berührende und wunderschöne Geschichte. Die Autorin hat die Problematik von Schwarz und Weiß gekonnt in eine ergreifende Geschichte umgesetzt. Als in den Südstaaten der USA Rassentrennung und Lynchjustiz an der Tagesordnung waren.
Die Bienenhüterin
Sue Monk Kidd
Lilys Mutter ist vor zehn Jahren umgekommen. Ihr Vater herrscht wie ein grausamer Rachegott über die inzwischen 14-jährige. Eines Tages flieht Lily aus der bedrückenden Atmosphäre ihres Elternhauses, wandert über die staubigen Straßen der Südstaaten, um ein neues Zuhause zu finden. Sie begegnet wunderbaren Menschen, rettet mit Mut und Klugheit ein Leben und findet bei drei Frauen Unterschlupf, die, wie im Märchen, in großer Eintracht zusammenwohnen. Die drei Schwestern geben dem Mädchen alles, was es braucht: Liebe, Halt, und Geborgenheit. Sie nehmen Lily in ihre Familie auf und weihen sie in die Geheimnisse weiblichen Wissens ein. Lily lernt alles über die Bienenzucht. Sie erfährt, wer ihre Mutter, die sie so schmerzlich vermisst, wirklich war, und sie verliebt sich. Doch eines Tages steht ihr Vater am Gartentor …
Resümee folgt
Jede junge schwarze Frau ist ein Flittchen."
Zitat aus dem Roman 'The Street' von Ann Petry.
Ann Petrys Roman aus den Vierzigerjahren erzählt ein erschreckendes Kapitel aus der Geschichte des rassistischen Amerika. Die Geschichte hat nichts an Aktualität verloren.
THE STREET
Ann Petry
Als alleinerziehende Mutter kämpft Lutie Johnson unerschütterlich für ihre eigene Würde und darum, ihren kleinen Sohn Bubb inmitten all der Armut, Gewalt und rassistischen Verachtung, die sie umgibt, zu einem anständigen Menschen heranzuziehen. Schauplatz ist die 116th Street auf der Upper Westside in Manhattan. Keiner entrinnt dieser verkommenen Welt, in der Menschen zwangsläufig roh und stumpf und zu kriminellen Verzweiflungstaten hingerissen werden. Lutie ist entschlossen, den Absprung in ein besseres Leben zu schaffen, doch die Niedertracht der Straße und die Bosheit eines menschenverachtenden Systems stellen sich ihr mit aller Macht in den Weg.
Resümee folgt
Ein Familiendrama von unabwendbarer Schicksalhaftigkeit. Edie und Mae leben nach dem Selbstmordversuch ihrer Mutter bei ihrem berühmten Schriftstellervater in New York. Edie rebelliert, Mae vergöttert ihren Vater. Beide sind gefangen im manipulativen Netz ihrer Eltern. Ein soghaftes Psychogramm über eine kaputte Künstlerfamilie.
Je tiefer das Wasser
Original: "The Deeper the Water the Uglier the Fish“
Katya Apekina
Die Schwestern Edie und Mae, sechzehn und vierzehn Jahre alt, müssen ihre Heimat, einen Vorort von New Orleans, verlassen. Ihre Mutter Marianne hat einen Selbstmordversuch unternommen und wird in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.
Wir schreiben das Jahr 1997, als die Mädchen in New York ankommen und in ein neues Leben geworfen werden, auf das sie sehr unterschiedlich reagieren. Während Mae ihrem Vater alsbald zu Füßen liegt, bleibt Edie reserviert, überzeugt davon, dass Dennis seine fünfzehn Jahre jüngere Frau damals künstlerisch ausgebeutet und seelisch zerstört hat.
Resümee folgt
>>Das einzige, was gefährlicher ist als ein Nigger mit einem Gewehr ist ein Nigger mit einem Buch<< (S. 312)
Underground Railroad
Colson Whitehead
Mit schier unerträglicher Präzision erzählt Whitehead hier die Geschichte der Sklaverei. Wie die weißen Herren mit nonchalanter Selbstverständlichkeit ihre Sklavinnen vergewaltigen, den Männern die Zungen abschneiden oder das Geschlechtsteil. Man begreift, wie das weiße Besitzdenken Schwarzen gegenüber als ein unumstößliches Recht angesehen wurde.
Über die Entrechtung, Unterjochung, Treibjagd und Eliminierung von Schwarzen durch Weiße.
Resümee folgt
»Als Werk eines Genies«, lobte 2002 die New York Times das Debüt »Alles ist erleuchtet« von Jonathan Safran Foer. Inzwischen hat er vier weitere Bestseller geschrieben.
Alles ist erleuchtet
Jonathan Safran Foer
Ein junger Amerikaner kommt in die Ukraine. Er heißt zufällig Jonathan Safran Foer. Im Gepäck hat er das vergilbte Foto einer Frau namens Augustine. Sie soll gegen Ende des 2. Weltkrieges seinen Großvater vor den Nazis gerettet haben. Jonathan will Augustine finden und Trachimbrod, den Ort, aus dem seine Familie stammt. Sein Reiseführer ist ein alter Ukrainer mit einem noch älteren klapprigen Auto, sein Dolmetscher dessen Enkel Alex, ein unglaubliches Großmaul und ein Genie im Verballhornen von Sprache. Foer erzählt die phantastische Geschichte eines jüdischen Schtetls, das Schicksal seiner Familie während des Holocaust und die Abenteuer eines jungen Amerikaners, der aufgebrochen ist, um die Vergangenheit zu suchen.
Resümee folgt
»Als Werk eines Genies«, lobte 2002 die New York Times das Debüt »Alles ist erleuchtet« von Jonathan Safran Foer. Inzwischen hat er vier weitere Bestseller geschrieben.
Alles ist erleuchtet
Jonathan Safran Foer
Ein junger Amerikaner kommt in die Ukraine. Er heißt zufällig Jonathan Safran Foer. Im Gepäck hat er das vergilbte Foto einer Frau namens Augustine. Sie soll gegen Ende des 2. Weltkrieges seinen Großvater vor den Nazis gerettet haben. Jonathan will Augustine finden und Trachimbrod, den Ort, aus dem seine Familie stammt. Sein Reiseführer ist ein alter Ukrainer mit einem noch älteren klapprigen Auto, sein Dolmetscher dessen Enkel Alex, ein unglaubliches Großmaul und ein Genie im Verballhornen von Sprache. Foer erzählt die phantastische Geschichte eines jüdischen Schtetls, das Schicksal seiner Familie während des Holocaust und die Abenteuer eines jungen Amerikaners, der aufgebrochen ist, um die Vergangenheit zu suchen.
Resümee folgt
Don DeLillos verstörende Romane sind längst Kult. Die Kritiker feiern seine Werke hymnisch. Aber er macht es seinen Lesern nicht immer einfach. Don DeLillos letzter Roman 'Die Stille' ist im Jahr 2022 angesiedelt. Fünf Menschen sind in New York zum Super Bowl Sunday verabredet. Dann fällt der Strom aus, alle Datennetze brechen zusammen. Die Stille füllt sich zunehmend mit Entsetzen.
DeLillos Rezept: Gängigen politischen Debatten neue Wendungen verleihen, durch einen faszinierenden Umgang mit Sprache bestechen. Eine allzu realistische Lesart ist dennoch nicht anzuraten.
Null K
Don DeLillo
Ross Lockhart ist ein Milliardär in den Sechzigern mit einer viel jüngeren Frau, Artis Martineau. Sie ist schwer krank. Ross ist Großinvestor eines im Verborgenen agierenden Unternehmens, das den Tod ausschalten will. Das Projekt: Sterbende lassen sich einfrieren und erst wieder zum Leben erwecken, wenn Medizin und Technik so weit sind, dass der Mensch ein ewiges Leben ohne Krankheiten führen kann. Als Artis sich diesem Prozess unterziehen will, reist Ross' Sohn Jeffrey an, um Abschied von seiner Stiefmutter zu nehmen, auf unbestimmte Zeit. "Wir werden geboren, ohne eine Wahl zu haben. Müssen wir auch genauso sterben? Macht es den Menschen nicht gerade aus, dass er sich weigern kann, ein bestimmtes Schicksal anzunehmen?" Diese Fragen treiben Ross um, der mit aller Macht in eine andere Dimension menschlichen Lebens vorstoßen möchte.
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Exkurs
Demut
Szczepan Twardoch
In "Demut" erzählt Szczepan Twardoch in drastischen Bildern von einem Mann, der verzweifelt versucht, seine einfache schlesische Herkunftswelt hinter sich zu lassen. Aber er scheitert in den Wirren der neuen Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkriegs.
Eben noch kämpfte Alois Pokora (pl: pokora = Demut) im Weltkrieg. Dann erwacht er im Krankenhaus in Berlin – und die Welt ist eine andere: das Jahr 1918, der Kaiser geflohen, die alte Ordnung zerbricht. Der Bergmannssohn Alois, der Erste in der Familie mit Schulbildung, sehnt sich nach seiner Liebe Agnes – lässt sich aber bald von der soghaften neuen Freiheit erfassen, geistig, revolutionär, auch erotisch. Er gerät in die Berliner Halbwelt, schult für die dubiose «Baronin» eine Kampftruppe, trifft Rosa Luxemburg. Nach einer Schießerei mit Kaisertreuen rund ums Berliner Schloss kann er gerade noch heim ins verwunschene Schlesien flüchten. Wo sich ebenfalls alles verändert hat. Unerwartet muss Alois sich der eigenen Herkunft stellen – und steht endlich Agnes gegenüber. Doch Alois ist zwischen alle Fronten geraten.
Mit weltmalerischer Wucht erzählt Szczepan Twardoch vom Weltkrieg und vom umstürzlerischen Berlin mit seinen Kaputten, Geschlagenen und den feierwütigen Überlebenden, den Umbrüchen, die bald ganz Europa erfassen. «Demut» ist ein gewaltiger Roman über einen Mann im Strudel der Zeit, der zwischen Emanzipation und Selbstzweifel steht und in einer explosiven, ungeheuer freien Epoche seinen Weg sucht.
Resümee folgt
Lesereihe 2022
Die Ottobeurer Lesereihe 2022 steht unter dem Motto:
"An den Außenseitern ist das Interessanteste die Innenseite."
Zusätzlich Literatur Exkurse
Über das Schicksal einer Familie in der Nachkriegszeit.
Der Verlorene
Hans-Ulrich Treichel
Hans-Ulrich Treichels Erzählung handelt von einer Familie, an deren Leben nichts außergewöhnlich scheint: Der Flucht aus den Ostgebieten im letzten Kriegsjahr folgt der erfolgreiche Aufbau einer neuen Existenz in den Zeiten des Wirtschaftswunders. Doch es gibt für sie nur ein einziges, alles beherrschendes Thema: die Suche nach dem auf dem Treck verlorengegangenen Erstgeborenen, nach Arnold.
»Arnold ist nicht tot. Er ist auch nicht verhungert«. Das erfährt der kleine Bruder und Ich-Erzähler eines Tages von seinen Eltern: »Jetzt begann ich zu begreifen, daß Arnold, der untote Bruder, die Hauptrolle in der Familie spielte und mir die Nebenrolle zugewiesen hatte.« In der Vorstellung des Jungen wird das, was der Eltern größter Wunsch ist, zum Alptraum: daß der Verlorene gefunden wird.
Lakonisch-distanziert und zugleich ungemein komisch erzählt Treichel von den psychischen Auswirkungen der Brudersuche, von den emotionalen Höhen und Tiefen und den subtilen Mechanismen, die die Eltern und auch der Sohn im Umgang mit dieser alle belastenden Situation entwickeln.
Resümee folgt
Eine anrührende Liebesgeschichte
AGNES
Peter Stamm
Ein schweizerischer Schriftsteller von Sachliteratur trifft in Chicago auf die wesentlich jüngere Physikstudentin Agnes, mit der er schnell eine Beziehung eingeht, Sie ermuntert ihn, eine Geschichte über ihre Beziehung zu schreiben. Ein "Portrait" von ihr. Sie ist 25 Jahre alt und schreibt an ihrer Doktorarbeit. Er ist etwa 40 Jahre alt. Sie gehen gemeinsam chinesisch essen, führen Gespräche über Leben und Tod.
Resümee folgt
Ausgeklügelter Wirtschaftskrimi, giftige Gesellschaftsaufnahme, und psychologisches Vexierbild.
Die dunkle Seite des Mondes
Martin Suter
Eines der besten, wenn nicht vielleicht sogar das beste Werk von Martin Suter.
Wirtschaftsanwalt Urs Blank, fünfundvierzig, hat seine Gefühle im Griff. Er hat es gelernt, sich keine Blöße zu geben, hingegen die der anderen zu nutzen. Blank ist Fachmann für Fusionsverhandlungen und der Star der Branche. In letzter Zeit allerdings quält ihn ein diffuses Unbehagen – auch ein Grund, warum er sich so intensiv um die schöne Lucille bemüht, die ein völlig anderes Leben führt als er. Durch Lucille lernt er die magische Welt der halluzinogenen Pilze kennen
Resümee
Die dunkle Seite des Mondes ist der zweite Roman des Schweizer Bestsellerautors Martin Suter. Er erschien erstmals im Jahr 2000 und wurde bis heute bereits 40 Mal neu aufgelegt. Das Buch verdankt seine Beliebtheit vor allem der Tatsache, dass es dem Autor gelungen ist, nicht nur einen fesselnden Roman zu verfassen, sondern diesen auch mit vielen interessanten Informationen zu aktuellen Themen und Wissensgebieten auszustatten.
Das Kultbuch über eine wahre Leseratte
Firmin | Ein Rattenleben
Sam Savage
"Auch, wenn Sie keine Ratten mögen, wird Firmin Ihr Freund sein, wenn Sie den Roman zuklappen."
Horst G. Flämig | Moderation
Boston in den 60er Jahren. Im schäbigen Keller der Buchhandlung am Scollay Square wird Rattenjunge Firmin geboren. Er ist der Kleinste im Wurf und kommt immer zu kurz. Als der Hunger eines Tages zu schlimm wird, knabbert er die in den Regalen lagernden Bücher an. Eines nach dem anderen wird gefressen, bis Firmin entdeckt, dass auf dem Papier etwas steht, was ihn sein Elend vergessen lässt: Ob Lolita oder Ford Madox Ford, ob Moby Dick oder Cervantes, die Welt der Menschen verspricht Abenteuer und Liebe, Krieg und Frieden, kurz: alles, was eine Ratte nicht hat.
Die berührende, tragische, aber auch humorvolle Geschichte eines Außenseiters, der in einer Buchhandlung sein Glück sucht.
Voller Neugier sucht Firmin die Freundschaft zu Buchhändler Norman. Als dieser einen Giftanschlag auf ihn verübt, muss Firmin einsehen, dass er in den Augen der Menschen wohl doch nichts weiter ist als ein lästiges Tier. Wie so oft im Leben zeigt sich aber gerade in den dunkelsten Stunden ein Licht am Ende des Tunnels.
Resümee folgt
Über den arg vom Leben gebeutelten, sensiblen und hochbegabten Wilbur, der einige Suizidversuche überleben muss, um sich zu fangen,
Nach Hause schwimmen | Rolf Lappert
Wilbur, gerade mal eins zweiundsechzig groß, ohne Schuhe, ist wirklich kein Glückskind: Seine irische Mutter stirbt bei der Geburt, sein schwedischer Vater macht sich aus dem Staub, und sein erstes Zuhause ist der Brutkasten. Erst als seine Großeltern ihn nach Irland holen, erfährt er, was Heimat ist. Doch das Glück währt nicht lang: Sein bester Freund kommt in die Erziehungsanstalt, und seine Großmutter Orla stirbt bei einem Unfall. Auch wenn er gern so stark wäre wie Bruce Willis: Er ist und bleibt ein Verlierer. Erst die charmante Aimee bringt ihm etwas anderes bei: Wilbur muss endlich lernen zu leben - ob er will oder nicht.
Resümee folgt
Harvard, Anfang der fünfziger Jahre. Ein kritisches Portrait Amerikas.
Ehrensachen | Louis Begley
Über die gesellschaftliche Umwandlung eines Holocaust-Überlebenden in der amerikanischen Oberschicht, der sich im Verlauf der Geschichte von Henryk Weiss in Henry White verwandelt.
>>Du wirst als Jude geboren, und du stirbst als Jude. Hitler hat es bewiesen.<<
Harvard, Anfang der fünfziger Jahre: Wo die Sprößlinge der Ostküstenelite ihre soziale Stellung einüben, zählen vor allem Stil, Prestige und die Einladungslisten der wichtigen Partys. Herkunft ist alles, doch Henry, ein rothaariger und obendrein schlecht angezogener Schlaks aus jüdischer Familie, hat nur Talent vorzuweisen, anders als seine Zimmergenossen Sam und Archie, die aus reichen Elternhäusern stammen. Der Außenseiter will seine Herkunft abschütteln und sich Zutritt zur mondänen Jeunesse dorée verschaffen, doch der Preis des amerikanischen Traums ist hoch – und die Frau, die er liebt, scheint unerreichbar zu bleiben.
Resümee folgt
Eine bitterernste Satire auf die japanische Gesellschaft, deren Werte und Normen unverrückbar scheinen.
Die Ladenhüterin | Sayaka Murata
Keiko Furukura ist anders. Gefühle sind ihr fremd, das Verhalten ihrer Mitmenschen irritiert sie meist. Um nirgendwo anzuecken, bleibt sie für sich. Als sie jedoch auf dem Rückweg von der Uni auf einen neu eröffneten Supermarkt stößt, einen sogenannten Konbini, beschließt sie, dort als Aushilfe anzufangen. Man bringt ihr den richtigen Gesichtsausdruck, das richtige Lächeln, die richtige Art zu sprechen bei. Keikos Welt schrumpft endlich auf ein für sie erträgliches Maß zusammen, sie verschmilzt geradezu mit den Gepflogenheiten des Konbini. Doch dann fängt Shiraha dort an, ein zynischer junger Mann, der sich sämtlichen Regeln widersetzt. Keikos mühsam aufgebautes Lebenssystem gerät ins Wanken. Und ehe sie sichs versieht, hat sie ebendiesen Mann in ihrer Badewanne sitzen. Tag und Nacht.
Resümee
Das höchste Ziel der Protagonistin von Sayaka Muratas Roman "Die Ladenhüterin" ist es, ein kleines, aber unermüdlich drehendes Rädchen im System des rund um die Uhr geöffneten Konbini-Supermarkts zu sein Bestechend kalt und distanziert schildere die junge Autorin Sayaka Murata, wie ihre Hauptfigur Keiko vollkommen in ihrer Arbeit als Supermarktaushilfe aufgeht, zugleich aber ein Wesen aus einer anderen Welt bleibt. Ein Buch mit einem ganz eigenen, skurrilen Charme, Ein schlichtes Buch. Ein Außenseiterbuch.
Ein postmoderner Heimatroman
Schlafes Bruder | Robert Schneider
Der Kolonialismus war ein sexuelles Unternehmen. In ihrem 1950, also zu Beginn der Dekolonisierung, erschienenen und entschieden anti-kolonialistischen Buch zeichnet Marguerite Duras ein zugleich persönliches und politisches Portrait des damaligen Französisch-Indochinas. Sie arbeitet unter anderem heraus, welche Rolle die körperliche und sexuelle Unterwerfung in den kolonialistischen Machtbeziehungen spielte.
Der Roman war im Erscheinungsjahr für den Goncourt-Preis nominiert, ging dann aber leer aus. Zu marxistisch, zu subversiv, zu vaterlandskritisch – für die damalige Zeit. Heute ist das Werk als eines der ersten literarischen Werke anerkannt, das die Kolonisierung offen anprangerte.
Resümee folgt
Lesereihe 2021
Die Ottobeurer Lesereihe 2021 stand unter dem Motto: Cuando superas el pasado algo bueno llega a tu vida.
Wenn du die Vergangenheit hinter dir lässt, tritt etwas Wundervolles in dein Leben.
Jenseits von Unamuno und Ortega y Gasset. Spanische Gegenwartsliteratur entdecken.
Zusätzlich Literatur Exkurse.
Französisch-Indochina | Die Perle des französischen Kolonialreiches. Ein riesiges Bordell.
Heisse Küste | Marguerite Duras et L'Illusion Colonial
Der Kolonialismus war ein sexuelles Unternehmen. In ihrem 1950, also zu Beginn der Dekolonisierung, erschienenen und entschieden anti-kolonialistischen Buch zeichnet Marguerite Duras ein zugleich persönliches und politisches Portrait des damaligen Französisch-Indochinas. Sie arbeitet unter anderem heraus, welche Rolle die körperliche und sexuelle Unterwerfung in den kolonialistischen Machtbeziehungen spielte.
Der Roman war im Erscheinungsjahr für den Goncourt-Preis nominiert, ging dann aber leer aus. Zu marxistisch, zu subversiv, zu vaterlandskritisch – für die damalige Zeit. Heute ist das Werk als eines der ersten literarischen Werke anerkannt, das die Kolonisierung offen anprangerte.
Resümee folgt
Das gefährliche Doppelspiel des Dorfschullehrers Oriol Fontelles
Die Stimmen des Flusses | Jaume Cabré
>>Ein doppeltes Spiel ist wie eine beidseitig geschliffene Klinge. Wenn du nicht aufpasst, schneidest du dich <<
Was geschah wirklich am 18. Oktober 1944 in dem Pyrenäenort Torena? Als Tina Bros sechs Jahrzehnte später in der alten Dorfschule ein hinter der Schiefertafel verborgenes Tagebuch entdeckt, ahnt sie nicht, dass sie an Dinge rührt, die in ihrer Verquickung aus Schuld und Scham, aus Leidenschaft und Fanatismus das ganze Drama einer schlimmen Zeit spiegeln. Noch weniger ahnt sie, dass der Schatten von damals bis in ihre eigene Gegenwart ragt.
Resümee folgt
Ein Exkurs anlässlich der Frankfurter Buchmesse (Gastland Kanada)
Kriegslicht | Michael Ondaatje
Nach Kriegsende wird der vierzehnjährige Nathaniel mit seiner Schwester Rachel von den Eltern in London zurückgelassen. Der geheimnisvolle „Falter“, der sie in Obhut genommen hat, und dessen exzentrische Freunde kümmern sich fürsorglich um sie. Wer aber sind diese Menschen wirklich? Und was hat es zu bedeuten, dass die Mutter nach langem Schweigen aus dem Nichts wieder zurückkehrt? „Meine Sünden sind vielfältig“, wiederholt sie, mehr gibt sie nicht preis. Als er erwachsen ist, beginnt Nathaniel die geheime Vergangenheit seiner Mutter als Spionin im Kalten Krieg aufzuspüren.
Resümee folgt
Wie ein Stein im Geröll | Maria Barbal
Conxa, ein Mädchen von dreizehn Jahren, wird von ihren Eltern, armen Bauern in einem kleinen Dorf in den katalanischen Pyrenäen, zur kinderlosen Tante in ein anderes Dorf gebracht. Dort arbeitet sie im Haushalt und auf dem Feld.
Conxa, inzwischen Mutter dreier Kinder, erlebt den Bürgerkrieg zwischen Anhängern der neuen Republik und den Anhängern Francos.
Conxas Leben ist eine Kette von Verlusten.
Resümee folgt
Transit / Anna Seghers
Transit ist eines der wichtigsten Werke der deutschen Exilliteratur. Ein Appell an Menschlichkeit und Solidarität – ein Mahnruf, der heute so bedeutsam ist wie vor fast 80 Jahren, als Anna Seghers den Roman im mexikanischen Exil schrieb.
Resümee folgt
Der Garten über dem Meer | Mercè Rodoreda
Die Geschichte, die in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts spielt, erzählt ein namenloser Gärtner, in seine Blumen und seinen Garten vertieft. Er beobachtet die Herrschaften, die jeweils im Sommer auf den Sommerfamiliensitz über dem Meer – in der Nähe von Barcelona – kommen. Und erzählt dabei die Geschichte einer Liebe, die dem Streben nach Reichtum und Status unterliegt.
Resümee folgt
Von dieser Welt | James Baldwin | Ein Exkurs
In seinem Roman erfasst Baldwin die verzweifelte und hoffnungslose die Lage der schwarzen Bevölkerung in den USA zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Der Protagonist, ein vierzehnjähriger Junge namens John Grimes lebt zwar frei im Norden der Staaten. Und doch bleibt er ein Gefangener in einem weißen System, das den sozialen Aufstieg, Wohlstand und ein besseres Leben für Schwarze so gut wie unmöglich macht. Sie arbeiten als Portiers in Hotels, als Putzkräfte in den Häusern von Weißen, waschen deren Wäsche oder fegen ihre Straßen.
Die Verlierer suchen ihr Seelenheil in der Religion. Und zerfallen in einer anderen Ordnung der Unterdrückung.
Wir besprachen 'Von dieser Welt' vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in den USA im Rahmen eines Exkurses - außerhalb der Lesereihe über spanische Gegenwartsliteratur.
Resümee folgt
Auf der Plaça del Diamant | Mercè Rodoreda
Die Geschichte einer stillen Emanzipation
Beim Tanz auf der Plaça del Diamant verliebt sich Colometa in Quimet. Sie stürzt sich in eine Ehe, bringt zwei Kinder zur Welt, schlägt sich allein durchs Leben, als Quimet auf der Seite der Volksfront in den Bürgerkrieg zieht und fällt.
Dieser faszinierende Roman machte die katalanische Autorin Mercè Rodoreda weltberühmt. Er wurde in über 20 Sprachen übersetzt und ist heute der Klassiker der katalanischen Literatur.
Resümee folgt
Exkurs | Was man sät | Marieke Lucas Rijneveld
Kurz vor Weihnachten bemerkt die zehnjährige Jas, dass der Vater ihr Kaninchen mästet. Sie ist sich sicher, dass es dem Weihnachtsessen zum Opfer fallen wird. Das darf nicht passieren. Also betet Jas zu Gott, er möge ihren älteren Bruder anstelle des Kaninchens nehmen. Am selben Tag bricht ihr Bruder beim Schlittschuhlaufen ins Eis ein und ertrinkt. Die Familie weiß: Das war eine Strafe Gottes, und alle Familienmitglieder glauben, selbst schuld an der Tragödie zu sein. Jas flieht mit ihrem Bruder Obbe und ihrer Schwester Hanna in das Niemandsland zwischen Kindheit und Erwachsensein, in eine Welt voll okkulter Spiele und eigener Gesetze, in der die Geschwister immer mehr den eigenen Sehnsüchten und Vorstellungswelten auf die Spur kommen.
Resümee folgt
Patria | Fernando Aramburu
Eine Saga zweier sich durch den Eta-Terror ineinander verstrickender Familien. Fernando Aramburu erzählt in „Patria“, wie eine Gesellschaft an Gewalt und an ihrem separatistischen Wahn auseinanderbricht.
"Bittori und Miren. Sie waren Freundinnen. Mehr. Schwestern. Fast wären sie zusammen ins Kloster gegangen. Und jetzt. Feindinnen."
Resümee:
Der Online Kreis testierte, ein hervorragendes Werk gelesen zu haben. Er war begeistert von Fernando Aramburus "Patria". Dass es dem Autor gelingt, in einer spezifischen Erzählweise, bestehend aus Erinnerungsschleifen. Perspektivwechseln und Zeitsprüngen, die komplexe historische Geschichte um die baskische Untergrundorgansisation ETA anhand von zwei Familiengeschichten auf 750 Seiten darzustellen, lobte der Kreis. Nach der Lektüre dieses, wie der Kreis fand, emotional mitreißenden Romans über einen Patriotismus, dessen Macht in die persönlichsten menschlichen Gefühle eindringt, blieb eine gut gestimmte Runde zurück.
Exkurs | In Zeiten des abnehmenden Lichts | Eugen Ruge
Buch oder Film? Film oder Buch? Was ist besser?
Dreißig Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit. Wir diskutierten über den Roman und die Literaturverfilmung ‚In Zeiten des abnehmenden Lichts‘ von Eugen Ruge. International gefeiert, ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis - ein halbes Jahrhundert gelebter Geschichte, ein Familienroman voller überraschender Wendungen: groß durch seine Originalität, seinen Humor, seine Menschlichkeit.
Diese Mal stellen wir dem Roman die Literaturverfilmung gegenüber. Buch oder Film? Film oder Buch? Immer wieder kommt die Frage auf, ob denn nun das Buch besser ist, oder doch dessen Verfilmung.
Zum Inhalt. Im Frühherbst 1989 feiert die Ostberliner Familie Powileit den 90. Geburtstag des Patriarchen Wilhelm, Ex-Widerstandskämpfer und heimgekehrter Exilant, unverbesserlicher Stalinist.
Zu dem Fest, das seine Frau Charlotte ausrichtet, erscheinen Nachbarn, Bekannte und Honoratioren, bringen Blumen und halten Reden, als wäre die Welt da draußen in Ordnung. Nur einer fehlt: Sascha, ihr Enkel. Was zunächst noch keiner ahnt: Sascha ist wenige Tage zuvor in den Westen abgehauen.
Die Rolle des Wilhelm Powileit spielt der 2019 verstorbene Schweizer Schauspieler Bruno Ganz. Überwältigend und beeindruckend. Wir schauen online den Film und lesen vorab das Buch. "In Zeiten des abnehmenden Lichts" erzählt von der Auflösung einer Familie und der Auflösung des politischen Systems der DDR.
Resümee: folgt
Lesereihe 2020
Verkürzt - Corona-bedingt
Die Ottobeurer Lesereihe 2020 stand unter dem Motto: ;'Vieles kann der Mensch entbehren, nur den Menschen nicht'. Ein Leitthema, das nach Ausbruch der Cortona-Pandemie eine ganz besondere Bedeutung bekam.
Aristoteles charakterisierte den Menschen als „Zoon politikon." Als ein gemeinschaftssuchendes Wesen. Über 2.300 Jahre später zwang uns die Corona-Pandemie, die erlangte gemeinschaftsbildende Ordnung außer Kraft zu setzen.
Die weitestgehende Einstellung aller sozialen Kontakte setzte die Menschen einer Robinsonade mit ungewissem Ausgang aus. Zugleich eine Chance, unorthodoxe Lehren aus den gemachten Erfahrungen zu ziehen.
Zusätzlich Literatur Exkurse.
1 Bild | 5 Kurzgeschichten | SZ Magazin
Gestartet wurde außerhalb der Lesereihe mit einem Exkurs. Ein Foto des bayerischen Fotografen Karl Kempf wurde von der Redaktion des Süddeutsche Zeitung Magazins an fünf renommierte Autorinnen und Autoren geschickt. Als Anregung für ihre Geschichten. Es entstanden sehr differente Erzählbilder. Spannungsvoll nachgezeichnet. Mit individuellen Sichtweisen auf das Fotoobjekt - ein Haus mit einer Doppelgarage, einem alten Auto und Unkraut. Wir diskutieren über die fünf Kurzgeschichten.
Resümee folgt
Die Glasglocke | Silvia Plath
Wir beschäftigten uns mit dem Roman ‚Die Glasglocke‘, einem amerikanischen Klassiker der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts. Ein Roman, dessen Handlung im Jahr 1953 angesiedelt ist. Ein Werk, das wie kein Buch zuvor die Stimmungslage junger Frauen aufzeigt, insbesondere ihre Zerrissenheit angesichts der hohen Anforderungen einer prüden amerikanischen Gesellschaft an Ausbildung, Qualifikation und Beruf. Die Ich-Erzählerin, die 19-jährige Esther Greenwood geht für einen Monat als Volontärin einer Modezeitschrift nach New York. Das Leben in der Großstadt verunsichert sie und schon bald spürt sie, wie sie in ein Stimmungstief rutscht. Aus diesem findet sie auch nicht nach dem Ende des Volontariats und der Rückkehr in ihr Elternhaus heraus. Sie fühlt sich wie unter einer Glasglocke. Sylvia Plath gibt in ihrem Buch die literarische Darstellung einer Depression eindrucksvoll wieder, den leichten Weg hinein und den harten Weg wieder hinaus. Anders als die Protagonistin Esther Greenwood, schaffte es die Autorin Silvia Plath selbst nicht, diesem Teufelskreis zu entkommen. Kurz nach Erscheinen des Romans verübte sie Selbstmord im Alter von 31 Jahren. Der 1963 erschienen Roman hat nichts an Aktualität verloren. Viele junge Menschen, die diesen Roman gelesen haben, haben sich dort wiedererkannt. Das Buch wurde zu einem der meistgelesenen Romane in den USA. Heute gehören Depressionen zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen weltweit.
Resümee: folgt
Die Ehefrau | Meg Wolitzer
Wir diskutierten über den Roman ‘Die Ehefrau‘ der amerikanischen Autorin Meg Wolitzer, der unter dem Titel ›Die Frau des Nobelpreisträgers‹ mit Glenn Close in der Hauptrolle verfilmt wurde. Es geht um die Abrechnung einer Frau mit einem egozentrischen Ehemann. Joan Castleman hat ihrem Mann alles geopfert. Sie führt ein Leben in zweiter Reihe. Sie ist die Frau des berühmten Schriftstellers Joe Castleman. Einst war er ihr Dozent für kreatives Schreiben und sie seine begabteste Studentin. Ihm zuliebe hat sie ihre Karriere aufgegeben. Nun, Jahre später, steht Joe vor der Krönung der seinen. Ihm soll der renommierte Helsinki-Literaturpreis verliehen werden. Für Joan ist das der Anlass, während des langen Fluges zur Preisverleihung ihre Ehe zu rekapitulieren. Sie hinterfragt ihre Rolle als Ehefrau, in der sie Joe hassen gelernt hat – nicht nur seiner zahlreichen Seitensprünge wegen. Die eigentliche Demütigung ist ganz anderer Natur.
Resümee: folgt
Der Report der Magd | Margaret Atwood
Margaret Atwoods Bestseller und Kultbuch „Der Report der Magd“ aus dem Jahre 1985 ist längst ein moderner Klassiker geworden.
Die preisgekrönte Bestsellerautorin erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die in einem misogynen Kommandantenhaushalt aufwächst und nichts kennt als Unterdrückung.
Resümee: folgt
Hain | Esther Kinsky
Diskutiert wurde im digitalen Raum über den Roman ‚Hain‘ von Esther Kinsky. Das Werk wurde ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2018 und dem Düsseldorfer Literaturpreis 2018. Drei Reisen unternimmt die Ich-Erzählerin in Esther Kinskys Geländeroman Hain. Die Trauerreisen führen die junge Witwe nach Italien, doch nicht an die bekannten, im Kunstführer verzeichneten Orte, nicht nach Rom, Florenz oder Siena, sondern in abseitige Landstriche und Gegenden – nach Olevano Romano etwa, einer Kleinstadt in den Hügeln nordöstlich der italienischen Hauptstadt gelegen, oder in die Valli di Comacchio, die Lagunenlandschaft im Delta des Po. Die Ich-Erzählerin durchstreift das "Terrain der Trauer" in diesen drei ineinander verwobenen Reisen durch Italiens entlegene Provinzen. Eine eindrucksvolle Ode an das Leben. "Über das Dasein und das Da-Sein". Übrigens. Im Totenmonat November erhält Esther Kinsky den W.-G.-Sebald-Literaturpreis 2020 der Städte Kempten, Sonthofen und Markt Wertach einen Tag nach der digitalen Romanbesprechung am 20. November für den Text "Kalkstein".
Sebald, geboren 1944 in Wertach, Allgäu, und gestorben 2001 in Norfolk, England, erlangte mit seinen Romanen insbesondere in den angelsächsischen Ländern Ruhm und Anerkennung für sein Werk.
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Lesereihe 2019
Über Menschen, die das Sterben der Zukunft in ihrer Gegenwart erleben.
Wir sprachen über Romane aus folgenden Ländern: Ukraine. Estland. Litauen. Slowakei, Polen. Russland, Tatarstan. Bosnien und Herzegowina, Georgien.
Zusätzlich Literatur Exkurse.
Internat | Serhij Zhadan
Ein junger Lehrer will seinen 13-jährigen Neffen aus dem Internat am anderen Ende der Stadt nach Hause holen. Die Schule, in der seine berufstätige Schwester ihren Sohn »geparkt« hat, ist unter Beschuss geraten und bietet keine Sicherheit mehr. Durch den Ort zu kommen, in dem das zivile Leben zusammengebrochen ist, dauert einen ganzen Tag.
Der Heimweg wird zur Prüfung. Die beiden geraten in die unmittelbare Nähe der Kampfhandlungen, ohne mehr sehen zu können als den milchigen Nebel, in dem gelbe Feuer blitzen. Maschinengewehre rattern, Minen explodieren, öfter als am Tag zuvor. Paramilitärische Trupps, herrenlose Hunde tauchen in den Trümmern auf, apathische Menschen stolpern orientierungslos durch eine apokalyptische urbane Landschaft.
Resümee
In Bildern von enormer Eindringlichkeit schildert Serhij Zhadan, wie sich die vertraute Umgebung in ein unheimliches Territorium verwandelt. Mindestens so eindrucksvoll ist seine Kunst, von trotzigen Menschen zu erzählen, die der Angst und Zerstörung ihre Selbstbehauptung und ihr Verantwortungsgefühl entgegensetzen. Seine Auseinandersetzung mit dem Krieg im Donbass findet mit seinem Roman Internat ihren vorläufigen Höhepunkt.
Wie der Soldat das Grammofon repariert | Saša Stanišic.
Historische Ereignisse wie die Kriege in Jugoslawien brauchten Jahre, um zu Literatur werden zu können. Wir beschäftigten uns mit dem Debütroman des 1978 in Bosnien geborenen und 1992 nach Heidelberg geflüchteten Schriftstellers Saša Stanišic. Der Roman »Wie der Soldat das Grammofon repariert« wurde ein großer Erfolg und in 31 Sprachen übersetzt. Er wurde 2005 mit dem Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb ausgezeichnet. Aus der Kinderperspektive erzählt Saša Stanišic vom Bosnienkrieg und wie sich die Menschen dadurch verändert haben. Der Autor reizt die vielfältigen Verknüpfungen von Drama und Komödie, Realismus und Groteske total aus. Das Buch legt gleich zu Beginn ein furioses Tempo vor: Es beginnt mit dem Tod von Opa Slavko 1991 in jenen 9,86 Sekunden, in denen Carl Lewis im Fernsehen seinem Weltrekord über 100 Meter entgegensprintet.
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Fegefeuer | Sofi Oksanen
Der mit dem Nordischen Literaturpreis ausgezeichnete Roman und weltweit gefeierte Nummer-1-Bestseller ‚Fegefeuer‘ der estnisch-finnischen Schriftstellerin Sofi Oksanen wurde besprochen. Dieses literarische Meisterwerk wurde in 32 Sprachen übersetzt. Damit wird die diesjährige Lesereihe über osteuropäische Literatur fortgesetzt. Eine sprachgewaltige Familientragödie über zwei Frauen, die sich wie zufällig begegnen und die doch eine gemeinsame Geschichte und vergleichbare Erfahrungen verbindet.
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Manaraga. Tagebuch eines Meisterkochs | Vladimir Sorokin
Wir beschäftigten wir uns mit einem der schärfsten Kritiker der politischen Eliten Russlands, Vladimir Sorokin. Ein Intellektueller, der regelmäßig heftigen Angriffen regimetreuer Gruppen ausgesetzt. Putins Gefolgsleute verbrannten sogar schon Sorokins Bücher. In seinem aktuellen Roman ‚Manaraga. Tagebuch eines Meisterkochs‘ werden Bücher nicht mehr gelesen, geschweige denn neu gedruckt, sie dienen als Brennmaterial für die Zubereitung exklusiver Speisen. Stör-Schaschlik über Dostojewskis "Der Idiot" oder Schnitzel über Arthur Schnitzler, mit diesen und anderen Kreationen begeistert Geza, ein Meisterkoch, seine zahlungskräftige dekadente russische Klientel. Ein geniales Romanfeuerwerk voll absurder Einfälle und beißender Gesellschaftskritik.
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Die Baugrube | Andrej Platonow
Ein russischen Klassiker der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts. Der 1930 verfasste Roman „Die Baugrube“ des Autors Andrej Platonow (1899–1951). Der Roman durfte zu Lebzeiten des Autors nicht veröffentlicht werden. Stalin bezeichnete den Schriftsteller als Dreckskerl. Erst 1989 wurde das Buch in Russland aufgelegt. Das Buch wurde von den Kritikern als einzigartig in der Literaturgeschichte gewürdigt. Worum geht es in dem Werk? Bauarbeiter graben am Stadtrand eine riesige Grube, in der das gemeinproletarische Haus für die Arbeiterklasse errichtet werden soll, „die Muttergrube für das künftige Leben“. Das Werk entstand zur Zeit der von Stalin eingeleiteten forcierten Industrialisierung und Zwangskollektivierung der Landwirtschaft. Es wurde zum radikalsten, überzeugendsten literarischen Sinnbild für das Scheitern der kommunistischen Utopie, die der Autor schonungslos entlarvt. Das utopische Projekt der Paradiesbauer endet in Hunger, Chaos und Massensterben.
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Aber der Himmel - grandios | Dalia Grinkeviciute
Dieses Mal führte die literarische Reise nach Litauen. Besprochen wurde das Buch ‚Aber der Himmel – grandios. Nach der Annexion Litauens 1941 durch die Sowjets wird die Autorin Dalia Grinkeviciute zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Sibirien deportiert. Ihre Jugendjahre verbringt sie in der Verbannung im Altai Gebiet und in der Arktis. 21-jährig gelingt Grinkeviciute die Flucht. Zurück in Litauen schreibt sie ihre Erinnerungen an die Verbannung in großer Eile auf 229 lose Blätter und vergräbt sie aus Angst vor der Entdeckung durch den KGB in einem Einweckglas im Garten. Kurz darauf wird sie vom KGB verhaftet und erneut deportiert. Nach ihrer Entlassung bleiben die Erinnerungen verschollen. Erst nach Dalia Grinkeviciutes Tod werden die Aufzeichnungen wie durch ein Wunder 1991 bei Gartenarbeiten gefunden. Die lose Blattsammlung ist zu einem der wichtigsten Dokumente der litauischen Geschichte geworden und zeigt mit ungeheurer Sprachgewalt das Schicksal eines 14-jährigen Mädchens in der Verbannung auf.
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Suleika öffnet die Augen | Gusel Jachina
Es wurde der Debütroman ‚Suleika öffnet die Augen‘ der tatarischen Autorin Gusel Jachina besprochen. Über eine rechtlose tatarische Bäuerin und ihren Weg zu sich selbst.
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Der Boxer | Szczepan Twardoch
Wir setzten uns auseinander mit dem Roman „Der Boxer“ des in Polen meistgelesenen Autors Szczepan Twardoch, der zum Teil auf historischen Begebenheiten basiert. Wir begeben uns in Warschaus Unterwelt der dreißiger Jahre kurz vor dem zweiten Weltkrieg. In die Welt der Schutzgeldeintreiber, Bordelle, Drogen und Straßenkämpfe der polnischen Juden gegen die Faschisten, deren wachsender Einfluss die Herrschaft Kaplicas, dem selbsternannten Paten der Stadt, bedroht. Der Schatten des Holocausts liegt bereits über den Straßen von Warschau. Wir erhalten Einblicke in eine diffizile Geschichte der polnischen Juden vor dem Einmarsch der Nazis im September 1939.
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Das Birnenfeld | Nana Ekvtimishvili
Wir beschäftigten uns mit dem Debütroman ‚Das Birnenfeld‘ der georgischen Schriftstellerin und Filmregisseurin Nana Ekvtimishvili. Nach Erscheinen wurde das Buch gleich mit drei Literaturpreisen ausgezeichnet. Auf der Frankfurter Buchmesse 2018 war Georgien Gastland. 160 georgische Bücher wurden zu diesem Anlass ins Deutsche übersetzt. Das Birnenfeld stach ganz besonders heraus und war das große Gesprächsthema der Messe. Es ist eine unerbittliche, existenziell ergreifende Geschichte aus den 1990er-Jahren, in denen alles zusammenbrach, erst die Sowjetunion, dann die Stromversorgung, die Heizung, die Wirtschaft, am Schluss die Familien. Sie spielt in einem Außenbezirk der Stadt Tbilissi, in dem es neben der Plattenbauwüste städtebauliche Höhepunkte wie das Institut für Leichtindustrie gibt, außerdem eine ehemalige Telefonzentrale und ein Internat für geistig beeinträchtigte Kinder, eine Schule der Dummen, von den Bewohnern Debilenschule genannt. Der Roman erzählt über das Leben der Kinder in diesem Heim. Das Heim gibt es heute noch. Ekvtimishvili, 1978 geboren, hat diese Zeit als Heranwachsende miterlebt. Sie ist neben diesem Heim aufgewachsen. Als sie als junge erfolgreiche Frau an diesen Platz zurückgekommen war, hat sie diese Kinder gesehen auf der Straße. Das waren natürlich keine Kinder mehr. Das waren erwachsene Frauen wie sie. Sie haben gebettelt.
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Qualityland | Uwe Kling | Ein Exkurs
Wir beschäftigten wir uns mit einem lustigen dystopischen Roman. Besprochen wurde das Buch „QualityLand“ des durch die Känguru-Trilogie bekannt gewordenen Schriftstellers Marc-Uwe Kling. Mit seiner Känguru-Satire wurde Kling zum Bestsellerautor. Seine Känguru-Hörbücher sind gefragtes Medium für Eltern, die mit ihren Kindern eine 7-Stunden-Autofahrt ohne Bibi und Tina in Dauerschleife überstehen wollen.
"Qualityland“ ist ein satirischer Roman - angesiedelt in der nahen Zukunft - in dem Kling den Überwachungsstaat entwirft, vor dem uns das Känguru immer gewarnt hat. Einen Staat, in dem rassistische Parteien auf dem Vormarsch sind und das Einkommen darüber bestimmt, welche ärztliche Versorgung einem zusteht. Eine durchdigitalisierte und -ökonomisierte Welt, in der Androiden den Menschen die Arbeitsplätze wegnehmen und Algorithmen bestimmen, welche Menschen zueinander passen.
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Troll | Michal Hvorecky
Besprochen wurde das Buch ‚Troll‘ des slowakischen Autors Michal Hvorecky, der zur Zeit der meistgelesene Schriftsteller seines Landes ist. Hvorecky beschreibt die düstere Zukunft in einem abgeschotteten osteuropäischen Land. Von korrupten Autokraten finanziert steuern Internet-Trolle und Internet-Bots präzise die öffentliche Meinung. Die Trolle und Bots verbreiten wüste Lügen und Verleumdungen. Sie bestimmen so über die Biografien der Landsleute. Hvorecky selbst war vielmals Opfer von Trolling. Von ihm wurden falsche Bilder und Videos mit erfundenen Zitaten, mit erlogenen Sätzen, mit manipulierten Inhalten ins Netz gesetzt. Hasskampagnen gegen ihn wurden verbreitet. Im Roman versuchen die Protagonisten das staatliche System der Fehlinformationen von innen heraus zu stören – und werden dabei selbst Opfer eines Shitstorms. Das Buch, als dystopisches Werk konzipiert, beschreibt derweil eine gefährliche Komponente unserer aktuellen Netzkultur.
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Recherche | Nora Gomringer
Ein Exkurs
In einem Mehrfamilienhaus hat sich ein dreizehn Jahre alter Junge in den Tod gestürzt. Wer trägt die Schuld? Am Ende gar der Leser? Eine Verschwörungskomödie mit vielen offenen Fragen.
Nora Gomringer gewann den Ingeborg-Bachmann-Preis 2015. Wir diskutierten über den Text.
Resümee: Eine atemberaubend konstruierte Collage aus Dialogen, Geräuschen und Gedanken, beinahe mehr Hörspiel als Prosatext.
Lesereihe 2018
Über Menschen, die vor Gewalt und Krieg fliehen, in einem fremden Land ankommen, voller Hoffnung. Und nicht gewollt werden.
Zusätzlich Literatur Exkurse.
Der Fluss dazwischen | Ngugi wa Thiong'o
Waiyaki wächst in der traditionellen Dorfgemeinschaft des Gikuyu-Stammes auf und wird von seinem Vater als spiritueller Führer und Erneuerer seines Volkes eingeweiht. Er besucht eine christliche Missionsschule, aber als er sich in ein Mädchen aus dem christianisierten Nachbardorf verliebt, kommt es zum tragischen, ausweglosen Konflikt mit dem Stamm. Waiyaki, der sich nicht bekehren lässt, andererseits das Wissen der Weißen in einer unabhängigen Gikuyu-Schule vermittelt, steht dazwischen: ein Opfer der Zerrissenheit, die bis heute das moderne Afrika zeichnet.
Ngugi wa Thiong o erzählt poetisch und einfühlsam vom Leben im kenianischen Hochland zu jener Zeit, als die weiße Eroberung erst ein bedrohlicher Schatten war.
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Lost City Radio | Daniel Alarcon
‚Lost City Radio‘ des peruanischen Schriftstellers Daniel Alarcón besprochen. ‚Lost City Radio‘ ist das Porträt eines fiktiven verwüsteten Landes. Jahre nach dem Ende eines blutigen Bürgerkriegs herrscht das Vergessen vor. Die alten Sprachen sind verboten, die Ortsnamen durch Zahlen ersetzt und die Erinnerungen an die Besiegten ausradiert. Eine Frau jedoch, Norma, leistet mit ihrer unverwechselbaren Stimme subtilen Widerstand: Sie moderiert die Radiosendung ‚Lost City Radio‘, in der die Zuhörer nach ihren Vermissten suchen können. Ihre Stimme gibt dem zerstörten Land die Hoffnung zurück. Ein aufwühlender Roman und zugleich eine ergreifende Parabel.
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Nirgendwo im Haus meines Vaters | Assia Djebar
‚Fatima liebt ihren Vater abgöttisch. Aber er befolgt streng die arabischen Bräuche. Ihre Mutter ist eine selbstbewusste Frau von europäischer Eleganz. Zwei Welten, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Dazwischen bahnt sich das Mädchen ihren eigenen Weg zur jungen Frau. Manchmal schmerzhaft und dann wieder voller Glück. Klarsichtig, poetisch und sehr emotional erzählt Assia Djebar ihre eigene Geschichte, die zugleich die Algeriens ist.
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Wir brauchen neue Namen | NoViolet Bulawayo
Die zehnjährige Darling lebt im Chaos einer Blechhüttensiedlung. Paradise heißt ihr Zuhause, und fast alles fehlt: der Vater, die Schule, der Fernseher oder auch nur genug zu essen. Doch hier lassen einen die Erwachsenen in Ruhe, die Entwicklungshelfer verschenken Spielzeug, und in ganz Afrika kann man nirgendwo besser Guaven klauen. Für alle anderen ist Paradise ein Scherbenhaufen aus zerbrochenen Träumen, für Darling der einzige Ort, der ihr ans Herz gewachsen ist. Gerade als Darling anfängt zu verstehen, wird sie von ihrer Tante in den USA fortgerissen. Üppiges Essen, der Fernseher, die Schule - das alles ist bald selbstverständlich, nur steht sie im neuen Paradies bald vor ihrer größten Aufgabe ...
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Der Fundamentalist, der keiner sein wollte | Mohsin Hamid
Ein intelligenter junger Mann aus der islamischen Welt schildert in enthüllender Offenheit sein Leben, seine Gedanken, seine Meinung zu Amerika und verhehlt nicht einmal, was er am 11. September 2001 empfunden hat. Changez heißt er, und er erzählt, wie er als junger, ehrgeiziger Gaststudent nach Princeton kommt und als Vorzeigestudent nach seinem Abschluss sofort von einer Elite-Firma engagiert wird. Dem aber dann die Bindung zu seinem Land Pakistan wichtiger ist als Geld und Macht.
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Die Strasse zum 10. Juli | Nona Fernández
Es wurde der Roman ‚Die Strasse zum 10. Juli‘ der chilenischen Schriftstellerin Nona Fernández besprochen. Die siebenunddreißigjährige Autorin zählt zu den beeindruckendsten Stimmen Chiles sowie gesamt Südamerikas. Sie erhielt bislang mehrere Literaturpreise. Für ihren aktuellen Roman wurde sie für den LiBeraturpreis 2018 nominiert. Im Buch geht es um viel: Die chilenische Geschichte, die Verbrechen der Vergangenheit und wirtschaftliche Korruptheit. Das Buch mahnt gegen das kollektive Vergessen und zeigt besonders seine Stärke in der Nachzeichnung des Verschwindens von tausenden ''detenidos desaparecidos'' - den Verhafteten, die bis heute nicht wieder aufgetaucht sind.
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Träumer. Als die Dichter die Macht übernehmen | Volker Weidermann | Ein Exkurs
Ein Exkurs
‚Träumer. Als die Dichter die Macht übernahmen‘ des SPIEGEL Literaturkritikers und ehemaligen Moderators des Literarischen Quartetts im ZDF Volker Weidermann.
Er erzählt von jener kurzen Zeit der Anarchie, als nach dem Ersten Weltkrieg 1918 in München Dichter, Spiritisten und Rebellen die Bayerische Räterepublik errichteten. Diese sechs chaotischen, hoffnungsvollen Monate sind ziemlich vergessen, jedenfalls sind sie von den nachfolgenden Jahren der Weimarer Republik und der NS-Zeit derart überblendet, dass es eine hervorragende Idee des Autors ist, sie noch einmal aufleben zu lassen.
1918/19, Revolution in München, Räterepublik. Ernst Toller, Thomas Mann, Erich Mühsam, Rainer Maria Rilke, Oskar Maria Graf - alle sind vor Ort. Die Träume vieler Dichter von direkter Demokratie und sozialer Gerechtigkeit scheinen urplötzlich paradiesische Wirklichkeit. Wie in seinem gefeierten internationalen Bestseller "Ostende" verwandelt Volker Weidermann einen geschichtlichen Moment in eine mitreißende Erzählung aus der Perspektive der historischen Protagonisten: spannend wie ein Thriller - und doch ist nichts erfunden.
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Frühstück mit der Drohne | Atef Abu Saif
Es wurde der Roman ‚Frühstück mit der Drohne‘ des palästinensischen Schriftstellers Atef Abu Saif besprochen. Der promovierte Politik- und Sozialwissenschaftler lebt mit seiner Frau und seinen fünf Kindern im Gazastreifen. Seine Tagebuchaufzeichnungen zum 51 Tage dauernden Krieg im Gazastreifen im Juli 2014 wurden weltweit veröffentlicht. Ein mitreißendes, literarisches Zeugnis eines unerbittlichen Konfliktes zwischen Palästina und Israel. Eine Einlassung über den allgegenwärtigen Tod durch israelische Kampfdrohnen. Ein Beispiel über die Bemühungen um Normalität im Angesicht menschlicher Tragödien. Ein Beweis für die unausrottbare Zuversicht der Menschen im Gazastreifen. Ohne Polemik und ohne Schuldzuweisungen wird über Unvorstellbares berichtet.
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Der Klang der Fremde | Kim Thúy
‚Der Klang der Fremde‘ der vietnamesischen Schriftstellerin Kim Thúy besprochen. der ein literarisches Kleinod ist. Saigon 1978. Kim ist zehn Jahre alt, als ihre Familie vor den Vietcong Kämpfern fliehen muss. Die Odyssee führt sie übers Meer im lichtlosen Unterdeck eines maroden Schiffes in überfüllte Flüchtlingslager nach Malaysia und schließlich nach Canada. Als der Vietnam Krieg beendet war, begann für Kim der Krieg. Vierzig Jahre später erleben Millionen Menschen erneut Vertreibung und Neubeginn.
Das Exil als Chance und Glück
Saigon, 1978: Als Zehnjährige muss Kim Thúy mit ihren Eltern aus Vietnam fliehen, Kanada wird ihre neue Heimat. Die Fremdheit der neuen Welt überwältigt das Mädchen - sie erschließt sich ihre Umgebung über Klänge, Farben und Gerüche. In unvergesslichen Bildern geht Kim Thúy dreißig Jahre später dieser sinnlichen Spur ihres Lebens nach, erzählt von Vertreibung und Neubeginn, von Schmerz und Lust der Erinnerung und dem täglichen Glück, sein Leben zu wagen.
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Tarlan | Fariba Vafi
Es wurde der mit dem LiBeraturpreis 2017 ausgezeichneten Roman ‚Tarlan‘ der iranischen Schriftstellerin Fariba Vafi besprochen. Sie erzählt aus dem Leben einer jungen Iranerin nach der Revolution von 1979. Millionen Menschen protestierten gegen die repressive Herrschaft von Mohammed Reza Pahlawi. Es kam zu Demonstrationen, die niedergeschlagen wurden und zahlreiche Tote forderten. Als jedoch die USA und andere westliche Staaten dem Schah die Unterstützung entzogen, verließ der krebskranke Herrscher das Land. Wenige Wochen später flog eine Air-France-Maschine den greisen Ajatollah Chomeini von Paris nach Teheran. Aus einem anfänglich linken Aufstand wurde eine islamische Revolution. In diesem Setting ist der Roman angesiedelt.
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Der letzte Granatapfel | Bachtyar Ali
Es wurde der Roman ‚Der letzte Granatapfel‘ des irakischen Autors Bachtyar Ali besprochen. An Bord eines Bootes, das Muzafari Subhdam zusammen mit anderen Flüchtlingen in den Westen bringen soll, erzählt er seine Geschichte. Er war einst hochrangiger Peschmerga und rettete einem legendären kurdischen Revolutionsführer das Leben, als sie von Truppen des irakischen Regimes umstellt waren. Er geriet in 21-jährige Gefangenschaft. Wieder in Freiheit begibt er sich auf die Suche nach seinem verschollenen Sohn. Eine Odyssee, die ihn schließlich auf den Weg führt, den Tausende schon vor ihm genommen haben.
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Im Grenzland | Sherko Fatah
Der mit dem aspekte-Literaturpreis ausgezeichnete Roman ‚Im Grenzland‘ des deutsch-kurdischen Autors Sherko Fatah wurde besprochen. Damit endet die diesjährige Lesereihe über Vertreibung, Fremdenhass, Exil und Neuanfang. In dem Roman wird das Leben eines Schmugglers beschrieben, der sich durch vermintes Gebiet zwischen Irak, Iran und der Türkei bewegt. Er versorgt die Bewohner seines Städtchens mit Zigaretten, Alkohol und Computern. Kaltblütig und bedacht, um nicht von den Minen zerrissen zu werden. Nicht nur das Niemandsland ist mit Sprengkörpern versehen. Ebenso erschüttern die Wortminen den Leser. Im kommenden Jahr bewegt sich der Literaturkreis entlang den bislang wenig bekannten literarischen Rändern Osteuropas.
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Lesereihe 2017
Über Menschen und ihre Machtlosigkeit, ohnmächtig der psychischen und physischen Gewalt ausgeliefert zu sein.
Zusätzlich Literatur Exkurse.
Die Vegetarierin | Han Kang
Mein persönlicher Vermerk: Der Roman zählt zu den sieben wuchtigsten und eindringlichsten Projekten, mit denen wir uns auseinandergesetzt haben.
Han Kang. Winner of the Man Booker International Prize 2016
Ein kolossales, hypnotisierendes Buch über eine Frau, die laut ihrem Ehemann an Durchschnittlichkeit kaum zu übertreffen ist – bis sie eines Tages beschließt, kein Fleisch mehr zu essen.
»Bevor meine Frau zur Vegetarierin wurde, hielt ich sie für nichts Besonderes. Bei unserer ersten Begegnung fand ich sie nicht einmal attraktiv. Mittelgroß, ein Topfschnitt, irgendwo zwischen kurz und lang, gelbliche unreine Haut, Schlupflider und dominante Wangenknochen. So fühlte ich mich weder von ihr angezogen noch abgestoßen und sah daher keinen Grund, sie nicht zu heiraten.«
Yong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht beflissen seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine zwar leidenschaftslose, aber pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich fortan ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt entfernt. »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Doch damit nicht genug. Bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.
Resümee: Ein surrealer und wundersamer Weckruf, den Konformismus zu überdenken. Eine Mahnung zu prüfen, stet sagen zu wollen, etwas sein zu müssen. Ein Memento, über ein deprimierendes gesellschaftliches Phänomen zu reflektieren, warum die Notrufe der Hilfesuchenden nicht wahrgenommen werden und die eigenen Angelegenheiten, seien sie auch noch so lapidar, in den Vordergrund rücken und eine höhere Wichtigkeit besitzen.
Der Roman entstand in einem Staat mit einem vermeintlich erstklassigen Schulsystem, einer exzellenten Infrastruktur, einem Mobilfunknetz der fünften Generation, während in Deutschland die Netzbetreiber die dritte Generation anbieten, und erfolgreichen Weltkonzernen, wie Samsung oder Hyundai. In einem Staat, in dem Kinder bis in die Nacht auswendig lernen, in dem die weltweit höchste Selbstmordrate unter Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen ist, in dem die niedrigste Geburtenrate und die höchste Arbeitszeit herrschen. In einem Staat, in dem ein zehnjähriger Junge kurz vor seinem Suizid in sein Tagebuch schrieb, dass er an zwei Tagen über zwanzig Stunden lernen müsse, ohne dass seine Noten besser würden… und er frei sein möchte wie ein Fisch im Wasser.
Siehe auch Rezension
Weit über das Land | Peter Stamm
Ist es ein neuer Anfang, wenn man alles hinter sich lässt? Ein Mann steht auf und geht. Einen Augenblick zögert Thomas, dann verlässt er das Haus, seine Frau und seine Kinder. Mit einem erstaunten Lächeln geht er einfach weiter und verschwindet. Astrid, seine Frau, fragt sich zunächst, wohin er gegangen ist, dann, wann er wiederkommt, schließlich, ob er noch lebt.
Jeder kennt ihn: den Wunsch zu fliehen, den Gedanken, das alte Leben abzulegen, ein anderer sein zu können, vielleicht man selbst. Peter Stamm ist ein Meister im Erzählen jener Träume, die zugleich locken und erschrecken, die zugleich die schönste Möglichkeit und den furchtbarsten Verlust bedeuten. 'Weit über das Land' ist ein Roman, der die alltäglichste aller Fragen stellt: die nach dem eigenen Leben.
Resümee: Präzise Perspektivwechsel, lakonische Sätze. Nüchterner, dokumentarischer Ton. Reale und imaginierte Ereignisse wechseln einander ab. Und ein Schlusseffekt, der in einer langen Schwebe liegt. Voller Spannung. Vielleicht auch mit einem Augenzwinkern an alle Familienväter, die hin und wieder den Gedanken hegen, aufzustehen und durch das Gartentor zu verschwinden.
Mein Lieblingstier heißt Winter | Ferdinand Schmalz
Ein Exkurs
Wir haben einen kleinen Exkurs unternommen. Text des Ingeborg-Bachmann-Preisträgers 2017 Ferdinand Schmalz „mein lieblingstier heißt winter“ besprochen. Siehe pdf-Datei. Der Preis gilt als eine der wichtigsten literarischen Auszeichnungen im deutschsprachigen Raum. Wird der prämierte Text diesem Anspruch gerecht?
Im gleichen Jahr erschien sein Roman 'leibstücke'. Der literarische Durchbruch gelang Schmalz nicht. Erfolgreich ist er mit seinen preisgekrönten Theaterstücken. Sein Markenzeichen: 'kleinschreibung'
- am beispiel der butter
- am apparat
- dosenfleisch
- der herzerlfresser
- Der thermale Widerstand
- jedermann (stirbt)
- Der Tempelherr
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Was man von hier aus sehen kann | Mariana Leky
Wie Innigkeit zwischen den Menschen gelingen kann – gegen viele Widerstände. Irgendwo im Westerwald - Mariana Lekys weiser und warmherziger Bestsellerroman über ein Dorf in der Provinz und seine skurrilen BewohnerSelma, eine alte Westerwälderin, kann den Tod voraussehen. Immer wenn ihr im Traum ein Okapi erscheint, stirbt am nächsten Tag jemand im Dorf. Unklar ist allerdings, wen es treffen wird. Davon, was die Bewohner in den folgenden Stunden fürchten, was sie blindlings wagen, gestehen oder verschwinden lassen, erzählt Mariana Leky in ihrem Roman. 'Was man von hier aus sehen kann' ist das Porträt eines Dorfes, in dem alles auf wundersame Weise zusammenhängt. Aber es ist vor allem ein Buch über die Liebe unter besonderen Vorzeichen, Liebe, die scheinbar immer die ungünstigsten Bedingungen wählt. Für Luise zum Beispiel, Selmas Enkelin, gilt es viele tausend Kilometer zu überbrücken. Denn der Mann, den sie liebt, ist zum Buddhismus konvertiert und lebt in einem Kloster in Japan.
Resümee: folgt
Eine Liebe 1968 | Georg Süss-Fink
Autor des Kriminalromans 'München 1972'. Der Fall Alfons Scheyerer. Nach einer wahren Begebenheit.
“Eine Liebe 1968“ des deutsch-schweizerischen Autors Georg Süss-Fink haben wir besprochen. War die 68er-Bewegung geboten für den Übergang in eine moderne Gesellschaft? Süss-Fink, emeritierter Ordinarius und Honorarprofessor Université de Neuchâtel, Schweiz, ist Teilnehmer des Ottobeurer Literaturkreises.
1968 verdichten sich wie unter einem Brennglas Tendenzen, die dem gesellschaftlichen Wandel und den politischen Veränderungen in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts vorausgehen. Während der Tumulte an der Aachener RWTH verliebt sich der ernsthafte Stefan in Lena, eine engagierte SDS-Aktivistin. Als sie im August zusammen nach Prag reisen, erleben sie den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen, und ihre beginnende Liebe wird auf eine harte Probe gestellt. Werden sie in den Zeiten des Aufruhrs und des Umbruchs zueinanderfinden?
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Eine geglückte Komposition, in der die Liebesbeziehung zweier Menschen und die politischen Entwicklung in den 68er Jahren verwoben sind. Mit sehr detaillierten und präzisen Beschreibungen. Der Leser hat das Gefühl neben den Protagonisten zu stehen. Er erlebt die Pragreise der Akteure Stefan und Lena hautnah.
Kraft | Thomas Lüscher
Ausgezeichnet mit dem Schweizer Buchpreis 2017
Der Versuch einer zeitgemäßen Beantwortung der Theodizeefrage. Führt uns eine grenzenlose, von digitaler Technologie bestimmte Freiheit in eine bessere Welt?
Richard Kraft, Rhetorikprofessor in Tübingen, unglücklich verheiratet und finanziell gebeutelt, hat womöglich einen Ausweg aus seiner Misere gefunden. Sein alter Weggefährte István, Professor an der Stanford University, lädt ihn zur Teilnahme an einer wissenschaftlichen Preisfrage ins Silicon Valley ein. In Anlehnung an Leibniz' Antwort auf die Theodizeefrage soll Kraft in einem 18-minütigen Vortrag begründen, weshalb alles, was ist, gut ist und wir es dennoch verbessern können. Für die beste Antwort ist eine Million Dollar ausgelobt. Damit könnte Kraft sich von seiner anspruchsvollen Frau endlich freikaufen ...
Komisch, furios und böse erzählt Jonas Lüscher in diesem klugen Roman von einem Mann, der vor den Trümmern seines Lebens steht, und einer zu jedem Tabubruch bereiten Machtelite, die scheinbar nichts und niemand aufhalten kann.
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Mit Staunen und Zittern | Amélie Nothomb
Sie hat es sich selbst eingebrockt: Aus Übermut und Neugier hat Amélie eine Stelle beim japanischen Unternehmen Yumimoto angenommen. Dort lernt sie zwar nichts in Sachen Buchhaltung, dafür wird ihr ein Crash-Kurs in Sachen Hierarchie erteilt. Eines ist von Anfang an klar: Eine Frau, zumal eine aus Europa, kann nur ganz unten einsteigen. Und noch tiefer fallen.
‚Mit Staunen und Zittern‘ der belgischen Schriftstellerin Amélie Nothomb beruht auf eigenen Erlebnissen. Nothomb verpflichtet sich, für ein Jahr in einer japanischen Firma zu arbeiten. Sie erlebt dort die negativen Seiten japanischer Unternehmenskultur: starke Hierarchien, unsinnige Befehlsstrukturen und Demütigungen.
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Blauschmuck | Katharina Winkler
Der wuchtigste und gewaltigste Roman, den wir gelesen haben. Eine wahre Geschichte über das Martyrium einer Muslima in einer archaischen Welt. Er macht die Abgründe von Abhängigkeit und brutaler Unterdrückung anschaulich und erzählt vom Leben einer Frau, in dem Liebe und Gewalt nicht nur untrennbar, sondern nicht mehr zu unterscheiden sind.Filiz wächst in einem kurdischen Dorf in der Türkei auf. Sie ist zwölf, als sie sich in den um wenige Jahre älteren Yunus verliebt und mit ihm von einem gemeinsamen Leben im Westen träumt. Mit fünfzehn heiratet sie ihn – heimlich und gegen den Willen ihres Vaters. Doch mit der Hochzeit platzen auch die Träume von Freiheit und Autonomie: Statt Jeans trägt Filiz jetzt Burka; gemeinsam mit den drei Kindern, die in dieser Ehe geboren werden, ist sie der körperlichen und seelischen Brutalität ihres Mannes und ihrer Schwiegermutter ausgesetzt. Daran ändert auch die Emigration der Familie in den Westen nichts – vorerst. Denn nach einer neuerlichen Eskalation der Gewalt gelingt Filiz das vermeintlich Unmögliche: die Befreiung aus physischer und psychischer Abhängigkeit.
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Die Eisträger | Anna Enquist
Die unterkühlte Ehe von Loes und Nico ist am Ende. Ihre Tochter hat den Kontakt zu ihnen abgebrochen. Nicos neue Aufgabe als Leiter der psychiatrischen Abteilung überfordert ihn. Und wie viel Tonnen Erde Loes auch in ihren neuen Garten schippt: Ihr stilles Haus ist auf Sand gebaut. Verwirrt, haltlos, schweigend schlittern die beiden Partner in eine Tragödie hinein, die für einen von beiden aber auch so etwas wie ein Neuanfang sein könnte.
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Schweigen | Shusaku Endo
Es wurde der Roman ‚Schweigen‘ des Schriftstellers Shusaku Endo besprochen, der ein japanisches Stück Weltliteratur ist. Endo berichtet über die brutale und unmenschliche Verfolgung und Folterung von Katholiken durch die Samurei im 17. Jahrhundert und stellt die Frage, ob katholischer Glaube und japanische Kultur harmonieren konnten. Eine hochaktuelle Fragestellung in unserer Republik in einem anderen Kontext. Stichwort: Islam und ‚Deutsche Leitkultur‘
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