Romanbesprechung im August | Ein Rückblick
Auf den Hund gekommen
DER FREUND | SIGRID NUNEZ
Nach dem Suizid eines Schriftstellers übernimmt dessen ehemalige Schülerin und Vertraute seinen Hund.
Die letzten Sätze
Oh, schau nur, Schmetterlinge. Ein ganzer Schwarm, der wie eine kleine weiße Wolke über den Rasen schwebt. Ich glaube nicht, dass ich je zuvor so viele gemeinsam fliegen gesehen habe, immer nur Paare. Kohlweißlinge, glaube ich. Sie sind zu weit weg, als dass ich sehen könnte, ob sie schwarze Punkte auf den Flügeln haben.
Sie sollten sich vor dir in Acht nehmen. Fresser von Insekten. Ein Zuschnappen deiner Kiefer würde die meisten von ihnen außer Gefecht setzen. Aber da fliegen sie, genau in deine Richtung, als wärst du nicht mehr als ein großer Fels im Gras. Sie schweben auf dich hinab wie Konfetti, und du - keine Regung.
Oh, was für ein Geräusch. Was kann die Möwe gesehen haben, dass sie so aufschreit?
Die Schmetterlinge sind wieder in der Luft, fliegen fort in Richtung Strand.
Ich möchte deinen Namen rufen, aber das Wort bleibt mir in der Kehle stecken.
Oh, mein Freund, mein Freund!
Über eine Dogge, die gerne Rilkes Briefe an einen jungen Dichter hört.
DER FREUND | SIGRID NUNEZ
Ein Roman über Trauer, Freundschaft, Liebe, Erinnerungen und Vergessen.
Als die Ich-Erzählerin, eine in New York City lebende Schriftstellerin, ihren besten Freund durch Suizid verliert, bekommt sie überraschend dessen Hund vermacht. Apollo ist eine riesige Dogge, die achtzig Kilo wiegt. Ihr Apartment ist eigentlich viel zu klein für ihn, außerdem sind Hunde in ihrem Mietshaus nicht erlaubt. Aber irgendwie kann sie nicht Nein sagen und nimmt Apollo bei sich auf, der wie sie in tiefer Trauer ist. Stück für Stück finden die beiden gemeinsam zurück ins Leben. Ein Roman über Liebe, Freundschaft und die Kraft des Erzählens - und die tröstliche Verbindung zwischen Mensch und Hund.
https://www.zdf.de/kultur/buchzeit/buchzeit-nunez-102.html
Es gibt ein interessantes Gesetz in New York: Hält ein Mieter einen Hund drei Monate lang in seiner Wohnung und unternimmt der Vermieter in dieser Zeitspanne nichts, um dem Mieter zu kündigen, dann darf der Hund bleiben. So eine Art Gewohnheitsrecht, das jedoch mit einem Appendix versehen ist: Die Existenz des Tieres darf nicht verheimlicht werden.
Die Protagonistin des Romans "Der Freund" sieht sich plötzlich in dieser Lage, wobei: Verheimlichen lässt sich Apollo sowieso nicht. Es handelt sich um eine Dänische Dogge, ein wuchtiges Viech
Sigrid Nunez
Foto © Marion Ettlinger
Sigrid Nunez ist eine der beliebtesten Autorinnen der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Für ihr viel bewundertes Werk wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Für »Der Freund« erhielt sie den National Book Award und erreichte international ein großes Publikum.
„Der einzig absolute Freund, den ein Mensch in dieser selbstsüchtigen Welt haben kann, der ihn nie verlässt, der sich nie undankbar oder betrügerisch verhält, ist sein Hund.“ – Woody Allen, Filmregisseur